Wohnen ist privater Raum, in dem man die Zumutungen der Welt hinter sich lassen kann und der Sicherheit verleiht. Wohnen wendet sich andererseits dem Öffentlichen zu und ist subtil im öffentlichen Raum präsent. Privatheit und Öffentlichkeit bedingen sich im Wohnen – und dies mit komplexer werdenden Schnittstellen. Architektur muss dieses bereichernde Wechselspiel nicht nur zulassen, sondern Möglichkeitsräume dafür schaffen, die sich im privaten Leben entfalten, aber gleichzeitig die strikten Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen auflösen und den Wunsch nach privater Aneignung des gemeinsam genutzten Raums erfüllen. Sehnsucht und Bedürfnis, dem Gebauten Individualität zu geben, kann im Konflikt mit der gestalterischen Aufgabe stehen, ein architektonisches Ganzes zu schaffen. Dafür ist eine belastbare Struktur zu schaffen, die zugleich eine private Aneignung erlaubt und die Zuwendung zum Öffentlichen ermöglicht.

Kritik an den neuen Wohnquartieren. Neue Wohnquartiere stehen oftmals in der Kritik. Der Städtebau und die zeitgenössische Architektur seien monoton, lautet der allgemeine Tenor. Ein wesentlicher Teil dieser Befremdung basiert allerdings nicht auf gestalterischen Unzulässigkeiten. Es fehlen vielmehr Möglichkeiten, die den Bewohnern gestatten, ihre Privatheit im Quartier und in der Stadt sichtbar zu machen. Das kann an der ausdruckslosen Form der Architektur, an der fehlenden Partizipation in der Planung, aber auch an der mangelnden Option oder der fehlenden Bereitschaft der Bewohner liegen, am öffentlichen Leben im Quartier, in der Stadt teilhaben zu wollen.

Erst individueller Rückzug ermöglicht Gemeinschaft. Das Interesse an der Gemeinschaft, am Austausch mit anderen ist nur dann gegeben, wenn auch die Möglichkeit zur Abgrenzung des Einzelnen von der Gemeinschaft, wenn der Rückzug ins Private gesichert ist. Wenn es nicht gelingt, Menschen dauerhaft Räume zum individuellen Rückzug zu geben, schwindet das Interesse an der Gemeinschaft. Erst wenn das Grundbedürfnis nach privater Sicherheit befriedigt ist, erweitert sich der Betrachtungshorizont. Und dieses Grundbedürfnis nach Rückzug ist unterschiedlich ausgeprägt.

Architektur als Metapher der Kommunikation. Rückzug ins Private einerseits und Austausch mit der Gemeinschaft andererseits sind zwei gleichwertige Bestandteile des Wohnens. So wird das Wohnen dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung genauso gerecht, wie das Wohl der Gemeinschaft nicht aus den Augen verloren wird. Im besten Falle kommt es zu konstruktiven Interferenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, dem Individuellen und der Gemeinschaft. Die Stadt, das Quartier, das Haus profitieren von diesen Interferenzen. Auch wenn die handelnden Personen nicht anwesend sind, erzählen Aneignungsformen, Möblierungen und Gegenstände im öffentlichen Raum von den Bewohnern. Eine Treppe ist beispielsweise mehr als nur eine Treppe, wenn ihre Stufen zu Sitzbänken, zu Zuschauerplätzen, zu einem Angebot an die Bewohner zur Aneignung werden, das ohne Zwang und Verpflichtung als soziale Bühne für alle funktioniert.

Das Ziel ist die belebte Stadt. Die Präsenz des Privaten im öffentlichen Raum manifestiert einerseits das Versprechen, dass das Private im Gemeinschaftlichen existiert und verleiht dem öffentlichen Raum eine menschliche Note. Verbunden ist damit ein höheres Verantwortungsgefühl der Menschen mit der Stadt und damit mit der städtischen Gemeinschaft. Die Gemeinschaft wiederum nimmt den öffentlichen Raum durch die individuelle Aneignung als dauerhaft genutzt, als bewohnt wahr. So führt diese Präsenz des Privaten zu einem Gefühl von Sicherheit, wenn man sich in der Nähe solcher dauerhaft »okkupierter« Räume aufhält. Die Übergangszonen von privaten und öffentlichen Räumen erzeugen die »belebte« Stadt.

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