Standard III: Wohnraum individuell ausbauen. Henri Praeger/Jana Richter, Berlin

Der individuelle Ausbau von Wohnraum eröffnet seinen Bewohnern die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse in die für sie gebaute Umgebung einzubringen. Wohngebäude sollen entsprechend geplant werden. Eine robuste Grundstruktur, die als Teil der Stadt dauerhaft Bestand hat, ermöglicht Einheiten unterschiedlicher Größe mit vielfältigen Grundrissvarianten und Gestaltungsoptionen, die unabhängig voneinander ausgebaut werden können. Die Errichtung der jeweiligen Gesamtgebäude müsste in technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht vom Ausbau der Wohnungen getrennt werden. So werden Gebäude im Rahmen der gesetzlichen und baulichen Normen möglich, die den Bewohnern wertvolle Flexibilität für den individuellen Ausbau und für den zukünftigen Umbau bieten. Das Engagement der Nutzer prägt die entstehenden Nachbarschaften und gibt ihnen eine eigene Identität und sozialen Zusammenhalt.

Wohnungen müssen flexibel sein. Wohneinheiten, die sich an geänderte Wohnanforderungen anpassen, sich für neue Nutzungen konfigurieren lassen und gegenüber städtischen Veränderungen offen sind, erreichen dank ihrer Flexibilität hohe Akzeptanz und Dauerhaftigkeit. Die einzelne Wohnung passt sich an den jeweiligen Nutzer an und nicht umgekehrt. So kann beispielsweise aus der Familienwohnung mit vier Zimmern eine Rentnerwohnung mit untervermietetem Studentenzimmer werden oder ein großzügiges Singleappartement mit integriertem Büro.

Grundrisse bürgen für Raumqualität. Der Einsatz modularer Bauteile ermöglicht hohe Flexibilität bei der Grundrissgestaltung. Zahlreiche Grundrissvarianten sind denkbar, ohne dass ein Eingriff in die Gesamtstruktur des Hauses nötig wird. Vielseitigkeit und Veränderbarkeit im Wohnen erfordern allerdings konzeptionell vorgedachte Raumqualitäten, um sterile Nutzungsneutralität zu vermeiden. Gestalterische Angebote geben den Bewohnern Anregungen und Anreize, darüber hinaus individuelle Raumqualitäten zu schaffen.

Trennung von Gebäude- und Wohnungsstruktur ist nötig. Grundvoraussetzung für den individuellen Wohnungsausbau ist die wirtschaftliche, rechtliche und technische Trennung des Gesamtgebäudes (Rohbau und Außenhülle) vom Ausbau der Wohnungen. Der technische Ausbau der Wohnungen ist, anders als üblich, nicht wohnungsübergreifend, sondern innerhalb der einzelnen Wohnungen gelöst. So kann der individuelle Ausbau während der Errichtung des Rohbaus geplant werden, ohne dass Umplanungen im Gesamtprojekt notwendig sind. Der Ausbaustandard ist reduziert und einfach: Heizkörper anstelle von Fußbodenheizung, elektrische Leitungen über Putz, die einfach änderbar sind. Die konsequente Trennung von Roh- und Ausbau reduziert die Planungs- und Bauzeiten und damit die Gesamtbaukosten.

Lange und kurze Lebensdauer der Baustoffe wird berücksichtigt. Die Strategie des individuellen Ausbaus des Wohnraums setzt einzelne Bauteile entsprechend ihrem Lebenszyklus ein. Der Rohbau wird als langlebige robuste Grundstruktur der Stadt aus Beton errichtet, die Fassade passt sich unabhängig vom Rohbau immer wieder den Anforderungen des Klimaschutzes sowie gesetzlichen und technischen Vorgaben an. Der Ausbau der Wohneinheiten ist kurzlebig und unterliegt individuellen Ansprüchen.

Engagement und Aneignung wird gefördert. Für den individuellen Ausbau können die künftigen Bewohner unterschiedliche Standards – vom »Rundum-Sorglos-Ausbaupaket« über die eigenständige Beauftragung von Handwerkern bis hin zum Selbstausbau – wählen. Dadurch wird die soziale Vielfalt im Gebäude gefördert, da Mietwohnungen mit einem reduzierten Ausbaustandard, preiswerte Lofts für Gewerbe, Atelierwohnungen, Wohngemeinschaften und höherwertig ausgebaute Eigentumswohnungen innerhalb desselben Gebäudes entstehen. Aus dem besonderen Prozess der Aneignung der einzelnen Wohnungen durch die Nutzer resultiert ein Engagement, das auch der Hausgemeinschaft und dem Wohnumfeld zugute kommt.

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