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BDA in Fahrt: Brünn und Zlín

11. Oktober 2018

Impressionen zur Fahrt des BDA Bayern nach Brünn und Zlín von Irene Meissner:

Nach Prag (Frühjahr 2013), Linz (Herbst 2013), Ljubljana (2014), Südtirol (2015), Helsinki (2016) und Bratislava (2017) führte uns diesmal die mittlerweile siebte Exkursion des BDA auf den Spuren des Neuen Bauens nach Brünn und Zlín. Mit der wieder von Wolfgang Jean Stock akribisch vorbereiteten und fachlich mit Partnern vor Ort durchgeführten Fahrt war den zahlreichen Teilnehmern ein sorgfältig ausgewähltes und vielversprechendes Programm geboten, das sich bei Bilderbuchwetter Tag für Tag von den Klassikern wie der Villa Tugendhat über die Bat’a-Fabrikstadt bis zu zeitgenössischen Multi-Purpose-Buildings entfaltete. Stock lieferte kenntnisreich Informationen zu den Gebäuden wie auch zur Geschichte von Tschechien.

Wie immer erfolgte die Anreise mit dem Bus, erster Stopp war in Asten (Linz) bei Coop Himmelb(l)au mit einem Besuch des Paneums, das im Inneren mit einer sich nach oben schraubenden und sich stetig verbreiternden Treppe architektonisch überraschte. Vor der Weiterfahrt gab es für jeden ein Kornspitz, dessen Erfindung die Backwarenfirma des Brotmuseumsgründers für sich in Anspruch nimmt. Dann Brünn: Am Mittwoch früh ausgiebiger Stadtrundgang durch die mährische Hauptstadt, u.a. mit Besuch des rekonstruierten Intellektuellen-Café Zeman und der Moravská Banka, beide Gebäude von Bohuslav Fuchs, sowie der mit dem Mies Award ausgezeichneten, gläsernen mit einem hölzernen Vorhang versehenen Bibliothek der Philosophischen Fakultät (Ladislav Kuba und Tomáš Pilař). Damit stieg dann auch die Neugier auf den Namensgeber des Preises: Ludwig Mies van der Rohe. Endlich am frühen Nachmittag standen wir vor der Villa Tugendhat, die Mies kurz nach dem Barcelona-Pavillon errichtet hatte. Ganz unvermittelt steht der Bau an der Straße. Kaum zu glauben, dass die Textilfabrikantenvilla mit dem fließenden Raumkontinuum, den inszenierten Blickachsen und gerahmten Ausblicken fast 90 Jahre alt ist. Sturzlose Öffnungen, die später Sep Ruf zu seinem Markenzeichen machte, die auffälligen Maserungen des Travertins und des Makkassar-Ebenholzes, chromstahlummantelte kreuzförmige Stahlstützen, die dünne, im Sonnenlicht leuchtende goldgelbe Onyxwand, davor eine Replik von Wilhelm Lehmbrucks Torso, der gebogene Paravent aus Ebenholz und die raumhohen versenkbaren Panoramascheiben. All das wurde seit 2001 wieder sorgsam instandgesetzt. Verwunderlich nur, dass Lilly Reich, mit der Mies auch hier die Innenausstattung gestaltet hatte, bei unserer Führung keine Erwähnung fand. Nach dem ausgiebigen Studium aller Finessen lud erst einmal die Terrasse des sanft abfallenden Gartengeländes zur Reflektion über dieses Meisterwerk der Architektur des 20. Jahrhunderts und zu einem ausgiebigen Sonnenbad ein.
Am Freitag dann der Ausflug nach Zlín, in die von dem Schuhfabrikanten Baťa geschaffene „Modellstadt der Moderne“. Im Gegensatz zu Le Corbusier, der von Zlín begeistert war, hat Mies die Stadt nie besucht. In der Konzernzentrale Fahrt mit Baťas mobilem Aufzugsbüro, von dem er sein Unternehmen weltweit dirigierte, und mit dem er in jedem Stockwerk andocken und seine Angestellten überblicken und kontrollieren konnte. Auf dem Dach des 17stöckigen Hochhauses bot sich ein fantastischer Blick auf die im Raster von 6,15 x 6,15 Meter errichtete Stadt: gleichförmige Stahlbetonskelettbauten mit Ziegelausfachungen, eingebettet in weitläufige Grünbereiche, am Stadtrand winzige Arbeiter-Punkthäuser, nicht einmal ein Zehntel so groß wie Tugendhat. Nahezu alle Bewohner standen in Zlín im Dienst und in Abhängigkeit der höchst effizient organisierten Schuhindustrie, die fast omnipräsent war, und auch die Freizeit, nicht zuletzt mit einem Baťa-Großkino beherrschte. Auf der Rückfahrt nach Brünn gab es noch einen Abstecher in das beschauliche Kremsier, dessen Stadtzentrum mit den schmalen Bürgerhäusern und Barockgiebeln unter Denkmalschutz steht.
Samstag früh zunächst Besuch des Brünner Messegeländes, dann unweit der Messe das Masaryk-Viertel, dessen Hang von einigen Klassikern des Neuen Bauens durchsetzt ist. In einem weitläufigen Garten Besichtigung der Villa des Textilfabrikanten Stiassni, das Gegenstück zur funktionalistischen Villa Tugendhat, fast gleichzeitig entstanden und vergleichsweise konservativ anmutend. Der flach gedeckte Bau ist zwar auch horizontal gegliedert, aber mit Lochfassade und Natursteinfaschen sowie einem vorgelagerten massiven, das Haus trotz freier Ecke umklammernden Terrassenbau versehen. Gebaut hat die Villa der hierzulande wenig bekannte Ernst Wiesner. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als „Haus für Regierungsgäste“ genutzt, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die Räume als Museum zugänglich und mit befremdlich wirkenden Schaufensterpuppen in zeittypischen Kleidern dekoriert. Die Frage, wo man lieber wohnen möchte, stellte sich eigentlich nicht. In der zeitgenössischen Kritik galt Tugendhat allerdings noch als unbewohnbar, aber auch heute scheiden sich die Geister an den Wohnvorstellungen, wie der mitreisende Wolfgang Bachmann konstatierte, indem er auf die Auseinandersetzung um die Einfamilienhäuser von Werner Sobek und von Kahlfeldt Architekten verwies.
Am Sonntag dann schon wieder heimwärts über Pilsen mit Besichtigung von zwei Interieurs von Adolf Loos. Auch hier edle Materialien, Marmortäfelungen, exotische Holzverkleidungen, verspiegelte Wände und raffiniert gestaltete Schrankmöbel, Details an denen sicherlich auch Mies seine Freude gehabt hätte.
In Tschechien waren die Bauten der Moderne nicht nur ein Bekenntnis zur Zukunft, sondern auch Symbol für die demokratische Kultur der jungen, aufstrebenden Republik. Vergleichbares ist im zeitgleich 1918 geründeten Freistaat Bayern hingegen nicht zu finden – aufgrund einer reaktionären bayerischen Kulturpolitik machte das Neue Bauen einen großen Bogen in den 20er-Jahren um das Land. Nun aber, gut gerüstet und eingestimmt auf die klassische Moderne, kann 2019 auch für uns in Bayern das Bauhausjubiläum kommen, dessen Anliegen es ist, „die Moderne als eine Bewegung zu schärfen“. Auch der BDA wird in „Bewegung“ bleiben: Flandern und die Pfalz sind voraussichtlich die nächsten Ziele.

Exkursion vom 26. bis 30. September 2018, Leitung: Wolfgang Jean Stock; Fachliche Beratung: Prof. Ing. arch Petr Pelčák (Brünn), Dr. Václav Mílek (Zlín); Fachliche Begleitung: Ing. arch Pavel Dvořák (Brünn), Mag. Vít Jakubíček (Zlín)

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