Themen

Baukultur in Bonn – Unterlassungen einer wichtigen Diskussion

19. April 2018

Positionspapier des BDA Bonn-Rhein-Sieg

Reden wir über Baukultur. Derzeit wird bei wichtigen aktuellen Themen der baulichen Verwandlung nahezu ausschließlich über die finanzielle Erhebung und Verteilung kommunaler Mittel abgestimmt. Eine qualitativ-strategische Diskussion, wie wir in Stadt und Region leben wollen, fehlt.

Mit dem Positionspapier möchte der BDA Bonn-Rhein-Sieg diese wichtige Diskussion wieder an den Anfang stellen und dazu einladen, auf fachlicher Ebene mit Stadtverwaltung, Politik und engagierten Bürgerinnen und Bürgern zusammenzuarbeiten.

Zuallererst stellt sich die Frage nach einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung der Stadt Bonn und der Region. Wie wollen wir künftig zusammen leben und wie soll das Gesicht der Stadt am Rhein aussehen? Welche Orte prägen das besondere Stadtbild und wie kann man „das Typische“ weiter herausarbeiten? Braucht es Veränderung für neue Aufgaben?

Kommunale Entwicklungsgesellschaft

Bonn ist eine prosperierende Stadt, jedoch kann der Wohnungsnachfrage, insbesondere nach preisgünstigem Wohnraum, nur bedingt entsprochen werden. Gleichzeitig verändert sich das Wohnverhalten in den unterschiedlichen Altersgruppen, dem Wusch nach Homeoffice, um Beruf und Familie zu vereinen, muss mit einem entsprechenden Angebot nachgekommen werden. Neue Bauvorhaben sollten vielschichtige Wohnqualitäten abbilden und durch urbane Dichte und Vielfalt die Stadtteile stärken. Dazu braucht es Grundstücke, die dies zu leisten vermögen. Die besondere Situation Bonns als ehemalige Bundeshauptstadt hat zur Folge, dass es hier zahlreiche BIMA-Grundstücke und Konversionsflächen gibt. Teilweise ist die Chance, diese in städtische Obhut und Planungshoheit zu nehmen, bereits vertan worden. In Zukunft können und sollten sich Stadtverwaltung und Politik der Verantwortung nicht entziehen, für eine gerechte Verteilung der Flächen zu sorgen. Schon lange fordert der BDA Bonn-Rhein-Sieg eine kommunale Entwicklungsgesellschaft, die die künftige Flächenentwicklung nicht ausschließlich am maximalen wirtschaftlichen Ertrag ausrichtet, sondern die Möglichkeit hat, die Flächen im Sinne der gesellschaftlichen Bedarfe differenziert auszugestalten. Eine mögliche Maßnahme wäre beispielhaft die Konzeptvergabe an Baugruppen oder Genossenschaften, um den privaten Invest der Bonner Bürgerinnen und Bürger zu fördern.

Der BDA Bonn-Rhein-Sieg fordert dazu geeignete Verfahren, die den Wettbewerb um das beste städtebauliche und Architekturkonzept zum Gegenstand haben, aber auch experimentelle Wohnbauten zu fördern. Unsere Mitglieder stehen für eine theoretische und praktische Auseinandersetzung mit diesen planerischen Herausforderungen ein mit dem Ziel, in der Heimatregion eine qualitätvolle Architektur zu schaffen.

Bauen für die Kultur

Spätestens das Dilemma um die Sanierung der Beethovenhalle zeigt, dass die Werthaltigkeit von Gebäuden in vielfacher Hinsicht in die Diskussion und auf den Prüfstand muss. Es muss klar definiert werden, welches Resultat am Ende des Planungsprozesses erwartet wird. Das Festspielhaus hätte an gleicher Stelle neue Qualitäten geboten, eine neue Wirkungsstätte der Musik, wie es sie in der Region noch nicht gibt, die Beethovenhalle kann gleiches nicht erreichen. Im Gegensatz dazu ist die Oper ein Musikhaus, das nicht nur funktional den Ansprüchen an seine Nutzung entspricht, sondern auch eine bauliche Skulptur darstellt, die am Rhein richtig situiert ist und ein weithin markantes Zeichen der Bonner Innenstadt darstellt. Es gibt keinen Grund, hier über Abriss nachzudenken. Überlegungen, der Oper ein modernes Sprechtheater hinzuzufügen und wieder ein Zweispartenhaus zu führen, werden konterkariert von der gelegentlich politisch motivierten „Rochadediskussion“ Bonner Kulturbauten mit Abriss der Stadthalle in Bad Godesberg und Aufgabe der Kammerspiele. Vor dem Hintergrund gefragt, welche strukturelle Investition dem Stadtteil künftig guttun würde, wäre der Entfall der dort zentral gelegenen Kammerspiele für Bad Godesberg, aber auch die Gesamtstadt fatal.

Unabdingbar ist die Planung einer großzügigen fußläufigen und ebenerdigen Verbindung zwischen Bonner Innenstadt am Markt und Opernvorplatz und – damit nicht genug – der Fortführung der städtebaulichen Geste durch eine neue Treppenanlage bis zum Rhein, als eine wesentliche Spange der vielfach notwendigen Verknüpfungen von Stadt und Fluss.

Unter dem Motto „Mach kein´ Quatsch mit der Oper“ möchte der BDA Bonn-Rhein-Sieg eine Ortsbegehung mit Stadtgespräch durchführen, um sich dem Thema städtebaulich und räumlich anzunähern.

R(h)ein in die Stadt

Bereits 2011 hat sich der BDA Bonn-Rhein-Sieg in seinem Beitrag zum „Masterplan Innere Stadt“ klar positioniert, dass die innerstädtische Entwicklung Bonns nicht ohne die Aufwertung der beiden Rheinufer vonstattengehen kann. Der Rhein ist längst in die Mitte der Stadt gerückt und zu einem Vernetzungsraum geworden, dem es an unterschiedlichen Verbindungen mangelt. Die Qualität der Wasserstraße als Naturraum ist ebenso unbestritten wie die Lagegunst wichtiger Bonner Institutionen als „global player“ am Wasser. Diesen städtebaulichen Qualitäten stehen kaum Angebote gegenüber, den Rhein als Verkehrsweg zu nutzen. Die Idee einer barrierefreien Wasserbuslinie, die die Mitnahme von Fahrrädern gestattet, könnte die unterschiedlichen Wohn-, Erholungs- und Arbeitswelten miteinander verbinden und für Nutzer aller Altersgruppen erlebbar machen. Die Rheinansicht der Stadt Bonn ist zu beiden Ufern stärker zu thematisieren und ihre Zugänge in die Stadtteile sind akzentuiert aufzuwerten. Der „Empfangsbereich“ der Rheintouristen am Fuße der Oper und der Beethovenhalle gleichermaßen ist längst in die Jahre gekommen und befindet sich in einem bedauernswerten Zustand. Mit Blick auf das Jubiläumsjahr BTHVN2020 besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Bäderdiskussion

Die Planung eines neuen Stadtbades ist auf eine gründliche Untersuchung des Bedarfs versus des Bestandes vieler kleiner und sanierungsbedürftiger Bäder, die über das ganze Stadtgebiet verteilt sind, zurückzuführen. Die Zusammenführung unterschiedlicher Nutzungen wie Schulsport, Familien-freizeitgestaltung, Workout und Wellness in einem Konzept hat in Bonn immer gefehlt und ist zukunftsfähig. Dabei ist die zentrale Lage an der neuen Stadtbahnhaltestelle „UN-Campus“ richtig und für alle Bonner Bürger zugänglich, die Nutzung der Abwärme des Kraftwerks-Süd ein energetisch wichtiges „on top“. Nach Aufstellung eines Nutzungskonzeptes gemeinsam mit Schulen und Sportverbänden haben die SWB einen architektonischen Wettbewerb durchgeführt und durch die Beteiligung von Politik und Gestaltungsbeirat Transparenz geschaffen. In einer Bürgerwerkstatt konnten die Bürger sich an der Planung der weiteren Ausgestaltung des Bades beteiligen. Trotz dieses offenen und fachlich begleiteten Planungsprozesses kam es zum Bürgerbegehren, das jedoch per Bürgerentscheid beendet wurde. Hier ist ebenfalls absehbar, dass eine eventuelle Ergänzung und Aufwertung der Badnutzung an einzelnen Standorten nicht die gleiche Qualität erreichen kann wie das neue Kombibad.

Es wäre zu wünschen, dass Partikularinteressen hinter die Idee eines gesamtstädtischen Konzeptes und Nutzens für alle Bürger zurückgestellt werden. Gleichzeitig ist angezeigt, für die anstehenden Nachnutzungen (z.B. des Frankenbades) als städtische Infrastruktur öffentlich wirksame Ansätze und Ideen zu suchen, die dem jeweiligen Stadtteil und seinen Bewohnern zugutekommen. Diese Planungskonzepte müssen heute schon erarbeitet werden.

Forum Stadt Bau Kultur Bonn e.V.

Der Bund Deutscher Architekten ist ein Berufsverband von Architekten, der sich für die Qualität unserer gebauten Umwelt einsetzt. Seine Mitglieder werden berufen, und zwar ausschließlich aufgrund ihrer herausragenden fachlichen Qualifikation. Mit dieser Kompetenz haben wir gemeinsam mit anderen Berufs- und Interessenverbänden und städtischer Unterstützung das Forum Stadt Bau Kultur Bonn e.V. gegründet. Damit wurde eine Plattform geschaffen, auf der die Diskussionen um die Baukultur in Stadt und Land, aber auch die Kultur von Planungsprozessen öffentlich gestritten werden kann und soll.

 

Gemeinsam die Zukunft zu gestalten, bedeutet zunächst, gemeinsame Interessen zu generieren. Hier wollen wir auf aktuelle Problempunkte mit Mut und Phantasie neue Antworten finden. Die Themen sind vielfältig:Der Leerstand von Gebäuden (auch in öffentlicher Hand) wird heruntergespielt. Hier müssen Zwischennutzungen ermöglicht werden.

  • Der städtische Energiehaushalt sollte stärker in den Fokus gestellt werden. Pilotprojekte wie die Nutzung städtischen Dach- und Fassaden-flächen für Solarenergiegewinnung sind mindestens zu diskutieren.
  • Die geforderte Nachverdichtung in den Stadtteilen ist vor allem da sinnvoll, wo es gute ÖPNV-Anbindungen gibt. Dies muss einhergehen mit der Planung und Sicherung attraktiver Grünflächen.
  • Die Region wächst zusammen und ist als Pendlerraum sinnvoll nur gemeinsam mit den umliegenden Gemeinden zu planen. Wie gehen wir mit den „ausgelagerten“ Gewerbeflächen um? Einer weiteren Zer-siedelung des Umlandes ist durch kluge Planung entgegenzuwirken, ist die Zusammenarbeit der Städte mit den Landkreisen zwingend geboten.

 

Die gebaute Umwelt umgibt uns täglich und beeinflusst unser Gefühl von Lebensqualität auf entscheidende Weise. Wenn wir Stadtentwicklung als etwas begreifen, das uns alle angeht, können wir als Stadtgesellschaft gemeinsam einen lebenswerten und zukunftsfähigen Stadtraum schaffen. Der BDA Bonn-Rhein-Sieg will deshalb mit der Diskussion dieser zentralen Themen im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen in den nächsten Jahren einen Beitrag für die künftige Gestaltung unserer Stadt und Region leisten. Darüber hinaus werden wir in direkten Gesprächen mit Politik und Verwaltung unsere Anliegen vertreten und unser Fachwissen als auch unseren Anspruch an Qualität einbringen.

 

 

Der Vorstand des BDA Bonn-Rhein-Sieg am 11. April 2018

Ines Knye (Vorsitzende), Nikolaus Decker, Jürgen von Kietzell, Paul Martini, Ralph Schweitzer

180411 Positionspapier Baukultur

180418 GA Diskussionsrunden geplant: Architekten fordern Strategie zur Entwicklung Bonns