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„Die Mischung macht’s“ in Düsseldorf: „Welche Mischung verträgt die Stadt?“

13. Oktober 2017

 

Exkursion und 5. BDA Kamingespräch des BDA Düsseldorf, in Kooperation mit dem Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf

Die Rundfahrt durch Düsseldorf mit einem der schönen Doppeldeckerbusse führte die Gruppe von mehr als 30 Personen vorbei an historisch gewachsenen und aktuellen Beispielen innerstädtischer Durchmischung. Bei Zwischenstopps in Derendorf, einer Tour durch das Bahnhofsviertel und durch Bilk begutachteten sie die Situationen vor Ort vor dem Hintergrund aktueller Fragestellungen.

Foto: Matthias Pfeifer
Foto: Matthias Pfeifer
Quartier Tannenstraße, Derendorf Nord

Los ging es im Los Quartier Tannenstraße, einem Teil des „Entwicklungsbereichs Derendorf Nord“. Dort, wo früher die Ulanenkaserne sich zwischen Roßstraße und Ulmenstraße aufspannte, wurde seit 2006 die denkmalgeschützte Substanz der Infanterie- und Artillerie-Kaserne mit Mannschaftsgebäuden und Exerzierplätzen revitalisiert und durch Neubauten ergänzt, unter anderem realisiert vom Architekturbüro Döring Dahmen Joeressen Architekten. Der zentrale Wohnblock (LUX Derendorf), aufgelöst in vier Riegel, beherbergt 87 Eigentumswohnungen, die seinerzeit zu einem heute nicht mehr denkbaren Preis von 3.100 € /qm angeboten werden konnten. Die Materialität und Maßstäblichkeit der Baukörper fügt sich geschickt in den historischen Bestand. Das seit 2009 realisierte Projekt, so hat man den Eindruck, wird gut von seinen Bewohnern angenommen und bietet ein belebtes Bild. Dennoch findet sich hier keine echte Mischung, eher ein Nebeneinander der unterschiedlichen Stadtnutzungen. Die nördlich angrenzenden zwölf Einfamilienhäuser schotten sich mit Mauern und Hecken deutlich zum Quartier hin ab.

Foto: Margrit Reinhardt
Foto: Margrit Reinhardt
Prof. Wolfgang Döring (rechts im Profil) führt durch das Quartier

Der zweite Teil der Exkursion bringt die Gruppe, begleitet von Simone Steinborn, Mitarbeiterin im Amt 66 GöR, zum Entwicklungsgebiet Innenstadt Süd-Ost (EKISO). Es grenzt direkt an den Hauptbahnhof und erstreckt sich über die Hauptanbindungen Immermannstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Bismarckstraße und Graf-Adolf-Straße in Richtung Innenstadt. 2008 wurde seitens der Stadt die Aufwertung dieses Gebietes durch verschiedene Maßnahmen beschlossen. Das von Planungsbüro DTP Landschaftsarchitekten GmbH entwickelte Masterplankonzept sieht vor, die Fördermittel punktuell als „Stadtakupunktur“ einzusetzen. Mischung spielt sich hier auf drei Bedeutungsebenen ab, so Simone Steinborn:
Ebene1: Mischung öffentlich/privat,
Ebene 2: Mischung des Werkzeugkastens (bauliche Aufwertung, künstlerische „Bespielung“, soziale Tätigkeit),
Ebene 3: Mischung der Funktionen.

Teil dieses Entwicklungsgebietes und eine der besonderen Herausforderungen ist der Worringer Platz.: ungeliebter Verkehrsknotenpunkt, sozialer Brennpunkt. Die Neugestaltung des Platzes fand vor Jahren mit Bürgerbeteiligung statt, es gibt die Einbindung von Kunst im öffentlichen Raum und soziale Kontrolle wird dort praktiziert. Das Resultat allerdings: Obdachlose und Abhängige nutzen die Bänke, die Polizei zeigt Dauerpräsenz und unsichere Bürger eilen vorbei. Die städtisch versuchte Neuordnung des Platzes scheint gescheitert. Keine Maßnahme konnte bisher erwirken, den Ort „sicherer“ zu machen. Es fällt aber auf, dass gerade dieses Umfeld immer wieder das Engagement von Künstlern auf und am Rand des Platzes hervorbringt. Insgesamt zeigt sich deutlich die Vielschichtigkeit der zu bedenkenden Einflüsse.

Die Immermannstraße zeigt ein anderes, internationaleres Bild – eine gute, weil stetig gewachsene Mischung. Aber auch hier wird eines der in Düsseldorf allgegenwärtigen Neubau-Wohnprojekte angekündigt. Die Bilder des Bauzaunes signalisieren die erhoffte Bewohner-Zielgruppe: gehobenes Klientel.

Foto: Margrit Reinhardt
Foto: Margrit Reinhardt
„Bestandsersatz“ an der Immermannstraße

An der dritten Station der Tour führt Matthias Pfeifer, dessen Büro RKW Architektur+ seinerzeit die Ausführung, aber nicht die Entwicklung des Quartiers verantwortet hat, das an das Einkaufszentrum Düsseldorf Arkaden in Bilk angrenzt. Den städtebaulichen Wettbewerb hatte das Büro Allmann Sattler Wappner gewonnen. Hier ist die Mischung von Funktionen nicht gewachsen, sondern synthetisch geplant. Sie setzt sich zusammen aus Shopping und Parken, bürgernahen Nutzungen wie Bibliothek und Schwimmhalle, Gewerbe sowie Wohnflächen direkt an einem Kreuzungspunkt von U- und S-Bahnen.

Foto: Matthias Pfeifer
Foto: Matthias Pfeifer
Wohnbebauung auf den Düsseldorf Arkaden, Bilk. Blick in den Innenbereich.

Der Bauherr war insbesondere mit der Einbeziehung von Wohnnutzungen zunächst nicht einverstanden, und angesichts des Ergebnisses bleiben in der Tat einige planerische Fragen offen. Entlang der künstlich erhaltenen Bahnkante zur Bachstraße hin „schweben“ sechs solitäre Wohnbauten auf dem Dach des Einkaufszentrums, ohne Bezug zur tiefer liegenden Straße, aber auch ohne wirkliche Annäherung an den Innenbereich. Dieser ist zwar vorbildlich mit Grünflächen und Kinderspielangeboten gedacht, in der Umsetzung aber wenig einladend. Die verschiedenen Nutzungen stehen unverbunden nebeneinander. Eine Verzahnung mit der Stadt, so kann man nach den ersten Jahren resümieren, ist nicht gelungen.

Nach der Exkursion lud der BDA zum 5. Kamingespräch ins Stadtmuseum der Landeshauptstadt. Harald Wennemar führte durch den Abend. Die Podiumsteilnehmer stellten aus verschiedenen Blickwinkeln einige wesentliche Aspekte und Thesen zur Diskussion.

Foto: Birgit Wennemar
Foto: Birgit Wennemar
Podiums v.l.: Thorsten Nolting, Cornelia Zuschke, Harald Wennemar, Matthias Pfeifer, Prof. Volker Kleinekort

Den Auftakt machte Matthias Pfeifer, der in einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Stadt Düsseldorf verschiedene Planungsansätze der Vergangenheit zusammenführte. Heute machen insbesondere die durch den Rückgang der Industrie frei werdenden Flächen eine Neuordnung möglich und erforderlich. In den dicht bebauten Innenstadt-Quartieren ist ein Eingreifen eher durch Modifikationen im öffentlichen Raum möglich.

Prof. Volker Kleinkort, Architekt und Stadtplaner, plädierte für mehr Mut zur guten Mischung. Dabei unterscheidet er drei Formen: die funktionale, die formale und die räumlich-soziale Mischung. Es komme auf das richtige Maß und die Herstellung einer überschaubaren Ordnung an. Geordnete Räume fördern ein Gefühl der Sicherheit und damit Entfaltungsfreiheit, während eine zu starke formale Mischung Verunsicherung mit sich bringen könne.

Im Hinblick auf das Ziel einer sozialen Mischung sieht Kleinekort deutliche Defizite bei den heute praktizierten Planungen und den Realisierungen. Speziell in den jüngsten städtischen Wohnquartieren, z.B. dem „Quartier Central“, sieht er eine gute räumlich-soziale Mischung eher als Wunschdenken denn als Realität an. Was hier auf den ersten Blick wie Stadt aussieht, sei lebenspraktisch eher Siedlung.

Das Ziel, zukünftig in den neu geschaffenen „Urbanen Gebieten“ eine stärkere funktionale Mischung zu ermöglichen, sieht er als Chance.  Ob sie längerfristig auch im sozialen Sinne zu einer guten Mischung beitragen werden, hänge von weiteren Rahmenbedingungen ab, die von den Planern und der Stadt bedacht und vorgegeben werden müssen.

Thorsten Nolting, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Düsseldorf, schaut aus einem anderen Blickwinkel auf die Durchmischung der Stadt: Insbesondere in Ballungsräumen mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund sei die kulturelle Vielfalt prägend für das städtische Leben. Reaktionen hierauf können sowohl Unsicherheitsgefühle und Abschottung als auch Integration und Versöhnung sein. Die Stadt Düsseldorf unterstütze vor allem das Sicherheitsbedürfnis der Menschen auf vielschichtige Art und Weise. Denn nicht alle Bewohner begreifen es als Chance, wenn die Multikulturalität und andere Veränderungen ihre Nachbarschaft erreichen. Hier müssen individuelle Ängste ernst genommen werden.

Cornelia Zuschke, die Planungsdezernentin der Stadt, betrachtet eine gute Mischung als entscheidend, um den Aufgaben einer modernen Stadtgesellschaft gerecht zu werden und sie in die Zukunft zu führen. Sie betonte aber, dass ein schrittweises Vorgehen erforderlich sei, um mit Ordnung und Zonierung für eine gelungene Mischung und Identität stiftende Orte zu sorgen. Ihr Verweis auf die Gefahren zu schnellen Bauens, das durch die große Nachfrage hervorgerufen wird, fand ebenso Zustimmung wie die Erkenntnis, dass unterschiedliche Gebiete der Stadt nach unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Planung verlangen. Insbesondere in den bestehenden, weiter zu verdichtenden Quartieren müsse ein natürliches Wachsen im Sinne von „Jahresringen“ zugelassen werden.

Am Ende des 5. BDA-Kamingesprächs konnte die Frage „Wie viel Mischung die Stadt verträgt“ natürlich nicht allgemeingültig geklärt und ortsübergreifend beantwortet werden. Eine gute, ausgewogene  Mischung muss für jeden Ort, ja selbst für jeden Stadtteil, immer wieder neu erspürt und justiert werden.  (Text: Margrit Reinhardt)