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Nachbericht – BDA im Gespräch: SIMSALA BIM

22. April 2015

Bundesregierung und Bauindustrie forcieren den Einsatz von BIM (Building Information Modeling). Wird das die Arbeit der Architekten erleichtern, gar ihr Überleben auf einem globalisierten Markt sichern oder führt es zur weiteren Entmündigung, Überforderung und existentiellen Risiken für einen ganzen Berufsstand oder zumindest kleinere Architekturbüros?

Im Gegensatz zu den wohlwollenden Äußerungen der Architektenkammer hat der BDA in diesem politischen Diskurs bisher noch keine offizielle Position bezogen. Bei der Podiumsdiskussion im BDA Bayern kamen Befürworter und Skeptiker zu Wort.

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v.l. Siegfried Wernik, Georg Brechensbauer, Hanns-Jochen Weyland

»Der BDA ist neuen Technologien gegenüber selbstverständlich aufgeschlossen“, eröffnete Karlheinz Beer, Landesvorsitzender des BDA Bayern, die Podiumsdiskussion in der vollbesetzten Geschäftsstelle in der Türkenstraße. „Bevor digitale Methoden wie BIM (Building Information Modelling) jedoch flächendeckend eingesetzt, oder gar von der Politik verbindlich vorgeschrieben werden sollten, müssen wir sicherstellen, dass wir die Regeln mitgestalten und die Interessen unseres Berufsstandes gewahrt werden«, begründete Beer die Motivation für die Veranstaltung. „Im Gegensatz zu Norddeutschland, wo es mehr große spezialisierte Architekturbüros gibt, beschäftigen 80 Prozent der Architekten in Bayern weniger als fünf Mitarbeiter und sind als Generalisten tätig, die mit kleinen Handwerksbetrieben zusammenarbeiten. Diese mittelständische Planungskultur muss erhalten bleiben« forderte Beer zu Beginn der Veranstaltung.

Sigfried Wernik, erster Referent des Abends, plädiert seit Jahren für den flächendeckenden Einsatz digitaler Methoden – unter anderem als einer der Initiatoren von BIMiD. Seit 2011 ist er Vorsitzender von buildingSMART e.V. und seit der Gründung 2015 Aufsichtsratsvorsitzender der »planen -bauen 4.0« sowie Geschäftsführer des Planungs-und Beratungsbüros »DhochN Engineering GmbH«. »Was ist BIM? Jeder meint damit etwas anderes, eine Definition gibt es noch nicht. Der Begriff sorgt mehr für Verwirrung als für Klärung, deshalb sollte er erst gar nicht verwendet werden« erläuterte Wernik in seinem Impulsvortrag . »Letztendlich wird jeder Architekt andere maßgeschneiderte Lösungen für sich selbst entwickeln. Das beginnt meistens bei bürointernen Insellösungen für einzelne Aufgabenbereiche, wir nennen das little closed BIM und geht bis zu ganzheitlichen Systemen, auf die alle Akteure wie Bauherren, Planer oder Firmen Zugriff haben – das so genannte big open BIM. Aber auch Kombinationen wie little open BIM oder big closed BIM  können Sinn machen. In vielen Ländern ist die Methode längst eingeführt und funktioniert.«

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Georg Brechensbauer (Brechensbauer, Weinhart und Partner, München)

Für Georg Brechensbauer von Brechensbauer Weinhart und Partner ist die Übertragbarkeit auf die Situation in Deutschland nicht gegeben: »In Skandinavien oder den angelsächsischen Ländern werden frühzeitig Baufirmen in den Planungsprozess miteinbezogen, die Planer sind dann so gut wie raus aus dem Prozess. In Deutschland funktioniert dies sowieso nicht. Planungskompetenz gibt es nur noch bei wenigen Firmen. Das Versprechen der Heilswirksamkeit digitaler Methoden lenkt von den eigentlichen Fragestellungen im Baualltag ab. Die Probleme liegen nicht bei den Verfahren sondern an den Beteiligten. BIM wird daran nichts ändern, wenn die Akteure nicht wieder lernen, als Team zusammenzuarbeiten. BIM könnte aber zur Botschaft werden und zur Zusammenarbeit zwingen« appellierte Brechensbauer in seinem Vortrag .

Hanns-Jochen Weiland von Störmer Murphy and Partners berichtet im Anschluss von persönlichen Erfahrungen. »Wir versuchen seit Jahren unsere Arbeitsprozesse zu optimieren und dafür digitale Methode in kleinen Schritten einzuführen, aber auch wir haben unsere Bedenken gegen eine unreflektierte Übernahme digitaler Planungsmethoden. Zeitlich unter Druck gesetzt sehen wir uns aber nicht: Wer die öffentliche Hand kennt, weiß, dass so eine tiefgreifende Veränderung 30 Jahre dauern kann, bis sie letztendlich durchgesetzt ist«. So lange wie bei der Einführung von Energiestandards wird die Bauindustrie und die Politik aber nicht warten wollen – Die auf Hochtouren laufende Promotionmaschine für BIM auf Veranstaltungen und in den Medien ist nicht mehr zu übersehen.

»Die Einführung von BIM kann zudem dazu führen, dass bevorzugt Bauprodukte und Regeldetails eingesetzt werden, die in den Programmen vorgegeben sind. Wenn das letztendlich dazu führt, dass visionäre oder utopische Projekte nicht mehr gezeichnet werden können, nur weil sie nach den Normen nicht baubar sind, würde das die Daseinsberechtigung unseres Berufstandes untergraben. Wer mit BIM von Standards abrücken will, braucht viel Know-how dazu innerhalb des Büros, vor allem aber Mitarbeiter, die das Programm beherrschen – das kann nicht jeder« gab Weyland zu bedenken.

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Hanns-Jochen Weyland (Strömer Murphy and Partners, Hamburg)

»Wir lassen uns von Investoren, Projektentwicklern und Bauträgern in Prozesse zwingen, die uns und die Architektur kaputt machen. Gleichzeitig Vorentwurf und Ausführungsplanung bearbeiten – und BIM soll dabei helfen!« Nach Georg Brechensbauer nicht gerade rosige Entwicklungen.

Nach zwei Stunden Podiumsdiskussion mit reger Publikumsbeteiligung trat erst gegen Ende der Veranstaltung ein, was bereits nach den drei Einführungsreferaten zu erwarten gewesen wäre: BIM polarisiert die Architektenschaft wie kaum ein anderes Thema. Auch die Diskussionsbeiträge aus dem Publikum waren zwiegespalten.

»Wenn Architekten die Wahl gelassen wird, ob sie mit komplexen digitalen Werkzeugen arbeiten, haben wir nichts dagegen. Was aber, wenn die Einführung von BIM verpflichtend vorgeschrieben wird? Dann können wir als kleines Büro unsere bewährten Strukturen und Arbeitsmethoden nicht mehr selbst bestimmen« konstatierte Lydia Haack, stellvertretende Landesvorsitzende des BDA Bayern und stellte den Nutzen der verpflichtenden Einführung von BIM für kleine Architekturbüros generell in Frage.

Gerade für die kleinen flexiblen Büros sei es einfacher neue Organisationsmethoden einzuführen als für Großbüros, deren Investitionen ungleich höher seien und viele Mitarbeiter und Partner von den Vorteilen zu überzeugt werden müssten, erwiderte Siegfried Wernik.

Einige Architekten, die BIM eingeführt haben berichteten von guten Erfahrungen, andere sehen deutliche Verbesserungspotenziale: »Nicht einmal bei dem Programm Revit, das seit Jahren auf dem Markt ist, sind bisher Attributstandards vorhanden«  monierte Moritz Mombour, von Nickl und Partner. Ein anderer Architekt schilderten einen Fall, bei dem er mit viel Aufwand ein BIM–Modell erstellt hatte, vom Bauträger  aber nicht mit weiteren Leistungsphasen beauftragt wurde. Dieser gab die gesamte Information des BIM-Modells an ein anderes Architekturbüro weiter, ohne den Ersteller der Daten dafür zu honorieren.

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Karlheinz Beer (Landesvorsitzender BDA Bayern)

»Firmen halten sich oft nicht an Pläne, das wird sich durch BIM nicht ändern. Kostensicherheit durch Digitalisierung ist illusorisch, niemand kann bei den am Bau herrschende volatilen Preisentwicklungen vorab die Ergebnisse einer Ausschreibung absehen. Wenn wir durch BIM verbindlich eine Obergrenze der Baukosten vertraglich vereinbaren müssen, kann das den Ruin des Büros bedeuten«  relativierte John Höpfner die Erwartungen an Planungs- und Kostensicherheit durch digitale Methoden. Vor allem in der Abhängigkeit von spezialisieren Mitarbeitern und den ungehinderten zehnjährigen Zugriff auf die eigenen Daten entsprechend der Gewährleistungszeit sehen kleine Büros ein Hauptproblem. »Wer die Daten in der Cloud hat und die Rechnung für das Update der Software nicht mehr bezahlen kann, ist nicht mehr in der Lage seinen Vertrag dem Bauherrn gegenüber zu erfüllen! Hier sollte ein Versicherungspool eingeführt werden.«

»Da gibt es tatsächlich viel zu tun. Momentan werben sich die Büros gegenseitig noch die BIM-Spezialisten ab, da es erst wenige davon gibt. Gesucht werden Leute, die den Bauprozess gut kennen und eine hohe Affinität zu digitalen Medien haben. Für diejenigen sind die Karrierechancen enorm. Dazu müssen aber Studiengänge und Fortbildungen geschaffen werden, das ist essentiell für einen flächendeckenden Einsatz von BIM.« räumte Siegfried Wernik ein.

Mit zugespitzten Fragen, allgemeinverständlichen Zusammenfassungen und viel Wortwitz moderierte Thomas Welter, Geschäftsführer des BDA Bundesverbands die Auftaktveranstaltung zum Thema BIM kurzweilig und routiniert. » Wir haben nur anreißen können, ob und wie digitale Methoden die Baukultur verändern, ob und in wieweit sie die gestalterische Freiheit einschränken. Wir konnten nicht eindeutig klären, ob BIM mittelstandsfreundlich ist und inwieweit positive Erfahrungen aus dem Ausland auf Deutschland und Bayern übertragbar sind. Wir sind nicht zu dem Thema gekommen, wie digitale Daten in einer lückenlosen Kette von der Planung bis zur Herstellung durch die Firmen ohne Informationsverlust weiterverwendet werden können. Aber wir haben gesehen, dass der Begriff BIM noch nicht definiert ist und viele Bedeutungen haben kann und das es dringend erforderlich ist, einheitliche Standards zu etablieren« resümierte er die Diskussion.

Positiv an der BIM-Debatte war die Botschaft, dass sich die Architekten generell intensiver über ihre Arbeitsabläufe und Planungsprozesse auszutauschen müssen. Wenn die Architekten mit Hilfe von BIM verlorenen Einfluss im Baugeschehen zurückgewinnen möchten, müssen sie selbst sicherstellen, dass die gesetzlichen bzw. vertraglichen Rahmenbedingungen, Haftungsfragen, Gewährleistungsfristen oder Honorarregelungen an die »neue digitale Welt« angepasst werden.

» Die heutige Diskussion hat vielen von uns das komplexe und wichtige Thema BIM näher gebracht. Wir haben aber auch gesehen, dass das nur ein Anfang sein konnte. Wir werden den Diskurs mit weiteren Veranstaltungen fortsetzen« schloss Karlheinz Beer die am Ende des Abends hochemotional gewordenen  Gesprächsrunden.

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stellvertretende Landesvorsitzende des BDA Bayern Lydia Haack

Hintergrund

Auf »Industrie 4.0« folgt »planen-bauen 4.0«
Während große Teile der deutschen Wirtschaft von Politik und Medien für ihre jüngsten Rekordzahlen honoriert werden, ist der Ruf des deutschen Planungs- und Bausektors durch Projekte wie Stuttgart21, Elbphilharmonie oder BER auf dem Tiefpunkt angekommen. Was läge da naher, als auch in dieser Branche im Rahmen der digitalen Agenda eine Großoffensive zu starten?

Als Schlagwort für digitale Methoden im Bauprozess hat sich die Abkürzung BIM (Building Information Modelling) in den Sprachgebrauch eingeschlichen, ohne je genau definiert worden zu sein. Dabei geht es nicht ausschließlich um ein Werkzeug zur Erstellung von 3-D Zeichnungen, sondern um die Bündelung sämtlicher Informationen eines Projektes in einem 3D-Datenmodell, auf das alle Beteiligten Zugriff haben und zwar von der Planung über den Bau bis zum Betrieb, von Massenermittlungen und Kostenschätzungen bereits im Vorentwurfsstadium bis zum Stromverbrauchs jeder LED-Lichtleiste bei der Nebenkostenermittlung durch das Facility Management.

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Siegfried Wernik (Mitglied Aufsichtsrat)

Die konkreten politischen Aktivitäten zur Einführung von BIM gehen auf die »Reformkommission Großprojekte« zurück, die der damalige Minister Ramsauer ins Leben gerufen hatte. Am 15. Mai 2014 stellte deren Arbeitsgruppe »Moderne IT-gestützte Planungsmethoden (AG BIM )« ihren Bericht »BIM Strategie Deutschland. Digitalisierung der Wertschöpfungskette Bau« der Öffentlichkeit vor, der auf der Website von building SMART e.V. als pdf downgeloaded werden kann. Der Verein ist als deutsches Chapter Teil der buildingSMART international, die 1995 in den USA gegründet wurde.

Standards und Zertifizierung: Auf Nachhaltigkeit folgt Digitalisierung
Die aktuelle institutionelle Formierung der Akteure im Bereich der Digitalisierung lässt sich mit der formativen Phase im Bereich der Nachhaltigkeit vor 25 Jahren vergleichen. Seit 1990 sind Technologie- und Standardisierungspioniere wie Wolfgang Feist durch die Professionalisierung von Energiezertifizierungen wie das Passivhauszertifikat zu prosperierenden Autoritäten gewachsen. 2007 traten 16 Initiatoren, darunter drei Architekturbüros, Hochschulen und Vertreter der Bau- Und Immobilienwirtschaft an, um mit der DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) den global sich etablierenden Labels LEED und BREAM ein deutsches Pendant gegenüber zu stellen.

Während die DGNB als Verein organisiert ist, formiert sich die Lobby von BIM als GmbH:
Am 20.02.2015 wurde die »planen-bauen 4.0, Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH« gegründet. Sie soll bei der Einführung von digitalen Geschäftsprozessen in der Bauwirtschaft in Deutschland die Wege ebnen und dabei die Gegebenheiten des hiesigen Marktes und dessen hohe Ausdifferenzierung berücksichtigen. Geschäftsführer sind Dr. Ilka May, Associate Director ARUP und Helmut Bramann vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie.

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Moderator Dr. Thomas Welter (Bundesgeschäftsführung des BDA)

Um BIM insbesondere in der mittelständisch geprägten deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft zum Erfolg zu verhelfen, hat das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie das Förderprojekt BIMiD aufgesetzt«. Im Rahmen des Förderschwerpunkts »Mittelstand-Digital« ist es Teil der Förderinitiative »eStandards: Geschäftsprozesse standardisieren, Erfolg sichern. Aufgabenstellung von BIMiD ist es, die Building-Information-Modeling-Methode anhand konkreter Bauprojekte beispielhaft zu dokumentieren und zu bewerten. Als »BIM-Referenzobjekt in Deutschland« wurde das »Bürogebäude Haus H« der Volkswagen Financial Services AG in Braunschweig von Gaudlitz Architekten ausgewählt, das sich zurzeit in Planung befindet. Ein Auswahlkriterium der Jury waren erste Erfahrungen des Bauherrn mit der praktischen Anwendung von »Industrie 4.0« in anderen Unternehmensbereichen.

Wird dieses Referenzprojekt im Rahmen eines künftigen Zertifizierungsverfahrens eingesetzt werden analog zu Referenzprojekten der EnEV oder der Din V 18599? Privaten Unternehmen, die sich als Zertifizierer von BIM bei der Politik und am Markt durchsetzen werden, winken, wie den Energielabels, politischer Einfluss und enorme Gewinnchancen.

Chancen und Gefahren für die Architektenschaft
Die konsequente Einführung digitaler Methoden geht weit über das Zeichnen mit 2D- oder 3D- CAD- Programmen oder den isolierten Einsatz von AVA-Programmen hinaus. Das Zusammenführen sämtlicher Daten und verschiedener Softwares unterschiedlichster Anwendungsbereiche in einem einzigen »3-D Modell« bedeutet einen tiefen Eingriff in die Organisationsstruktur der Architekturbüros und setzt ein Umdenken sämtlicher Arbeitsabläufe voraus. Das kann zunächst einen Mehraufwand durch Investitionen, und Mitarbeiterschulungen zur Folge haben, der in der jetzigen Form der HOAI bisher nicht honoriert wird. Vor allem wirft ein für alle Beteiligten zugängliches gemeinsames Datenmodell Fragen der Haftung auf, die noch zu klären sind.
Von einer konsequenten Implementierung von BIM in den Bauprozess profitieren zweifelsohne die Auftraggeber, Facilitymanager, die Bauindustrie und nicht zuletzt die Softwareanbieter.
Doch rechnen sich diese Anfangsinvestitionen mittel- und langfristig auch für Architekten?
Die Befürworter versprechen sich effizientere Arbeitsabläufe und die Automatisierung »langweiliger« zeitintensiver Tätigkeiten für Architekten, um mehr Zeit für kreative Aufgaben zu gewinnen. Ist die Einführung von BIM überhaupt noch aufzuhalten?

Frank Kaltenbach