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StadtRegion. Raum für neue Ideen

4. Oktober 2010

Aufbruch der Region Kommunen und Architekten tagten zur künftigen Ausrichtung des Stadtumbaus Ost

Zu einer Debatte über die Städtebauförderung in den neuen Ländern hatte der BDA nach Erfurt geladen: Trotz vieler sichtbarer Erfolge des Stadtumbauprogramms wird deutlich, dass die fundamentalen Strukturprobleme allein durch eine Subventionspolitik nicht zu lösen sind. Nach wie vor ist Ostdeutschland besonders stark vom demographischen Wandel und von der Abwanderung der jungen und qualifizierten Generation betroffen. Allein in Thüringen wird sich in den kommenden fünf Jahren die zentrale Altersgruppe der 19- bis 24-Jährigen nahezu halbieren – gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen verändern sich grundlegender als vielfach angenommen.

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Vor diesem Hintergrund plädiert Andreas Weber, Mitautor der vielbeachteten Studie des Berlin Institutes zur Neustrukturierung der Förderpolitik in den neuen Ländern, für ein konsequentes Umdenken: Konträr zur vorherrschenden politischen Wachstumsphilosophie plädiert er für die Anerkennung der Tatsache, dass sich eine wachsende Bevölkerung in bestimmten Regionen auch mit Fördermitteln nicht erzwingen lässt. Das heißt nicht, dass strukturschwache Gebiete einfach aufzugeben sind, sondern gefragt ist vielmehr ein politischer Ansatz, der nicht Symptome mildert, sondern mit einer neuen Dynamik den Abwärtstrend umkehrt.

Doch welche Ideen können diese Dynamik entfachen? Als ein Denkmuster ist der Vorschlag von Andreas Weber zu verstehen: Der Perspektivenwechsel baut auf Ideen, die eigene Stärken und lokale Potenziale mit einem umfassenden Modernisierungsanspruch nutzen. Idealerweise folgen diese nicht starren Fördervorgaben, sondern basieren auf der Selbstorganisation der Akteure vor Ort. Gefordert sind auch veränderte Förderprogramme, die nicht im Gießkannenprinzip die Fläche alimentieren, sondern Freiräume schaffen und Kreativität belohnen.

Die zwingende Erfordernis für ein solches Umdenken erläuterte Dirk Michaelis, Bau-amtsleiter des Landkreises Stendal, in erschreckender Radikalität: Die in Sachsen-Anhalt gelegene Kulturlandschaft der Altmark, mit ihren eindrucksvollen Hansestädten, erlebt einen Einwohnerschwund unbekannten Ausmaßes. Verbunden ist damit die Erosion ganzer Stadtgefüge, die ihren offensichtlichen Ausdruck ein einer „entleerten Landkarte“ findet.

Es zeigte sich, das der wachstumsfixierte Förderrahmen, der für eine verheißende Zukunft der Altmark zahlreiche Gewerbegebiete, Kanalnetze und Einfamilienhaussiedlungen baute, die Schrumpfung nicht stoppen konnte und vielmehr der gewollten integrierten Regionalentwicklung entgegensteht. Die von Dirk Michaelis formulierte Vision vollzieht folgerichtig den Perspektivenwechsel und versucht, die unabwendbare Schrumpfung in eine Chance zu überführen: Umbau der peripheren Regionen lautet die Strategie, die sich auf den Erhalt einer Auswahl von baukulturell wertvollen Klein- und Mittelstädte mit Strahlkraft für und in die Region konzentriert. Rückbau und Aufwertung ist damit nicht länger auf das städtische Gefüge begrenzt, sondern erstreckt sich nunmehr auf ganze Regionen. Zwingend erforderlich ist dafür eine andere Förderkulisse, die beispielsweise mit einem Bonussystem Anreize zum Erhalt der Kulturlandschaft durch bürgerschaftliches Engagement setzt. Notwendig ist auch die politische Diskussion über den damit verbundenen Tabubruch, der die Leitmaxime gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen in Frage stellt.

Dass der Blick auf das Regionale, auf die eigenen Stärken vor Ort Menschen motiviert, mit Entschlossenheit den Wandel zu gestalten, davon sprachen Marina Hämmerle als Direktorin des Vorarlberger Architekturinstitutes und der in der Oberpfalz engagierte Architekt Johannes Berschneider. Die Vorträge zeigten beispielhaft, wie mit einem modernen Verständnis von Regionalität ein wichtiger Standortfaktor formuliert wird. Und zwar mit einer Architektur, die aus der Region für die Region gebaut wird: Einheimische Rohstoffe werden genutzt, um lokale Wirtschaftskreisläufe, den Mittelstand und das Handwerk zu stärken. Baukultur wird zu einem weichen Standortfaktor, der Menschen eine wirtschaftliche und persönliche Perspektive vor Ort eröffnet.

Diese Ansätze auch für eine kreative Aufbruchsstimmung in den neuen Ländern zu nutzen, dafür sprachen sich Marion Eich-Born als Staatssekretärin für Bauwesen in Thüringen und Oda Scheibelhuber als Abteilungsleiterin im Bundesbauministerium aus: Baukultur und eine regional geprägte Architektur müssen als Metapher und Impulsgeber für einen zukunftsoptimistischen Umgestaltungsprozess wirken. Auf diese Weise können authentische und neue regionale Strukturen entstehen, die sich nicht auf das Bekenntnis zur Tradition als folkloristisches Element beschränken, sondern vor allem auch die Menschen und deren Zukunft mit einbeziehen. Politische Signale, die nunmehr Einzug in die Förderstrukturen erhalten müssen.

Referenten: (Downloads Am ende der Seite)

Dr. Andreas Weber, Publizist, Berlin
Stadtumbau weiterdenken! Eine politische Perspektive

Dr. Hanna Sommer, Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner
Kooperation und Konkurrenz. Eine kommunale Perspektive

Johannes Berschneider, Architekt BDA, Pilsach bei Neumarkt i.d. Oberpfalz
Regionalität stärken: Zukunftsfähige Strukturen in der Oberpfalz

Ramon Miller, Dezernent Bau und Umwelt der Stadt Gera
Lebens- und Arbeitsorte vernetzt denken: Das Oberzentrum Gera und seine Region

Dirk Michaelis, Bauamtsleiter Landkreis Stendal
Kernige Altmark: Eine Kulturlandschaft im Spannungsfeld von Schrumpfung, Chancen und Visionen gestalten

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