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Im Osten viel Neues

13. Juli 2007

BDA-Symposium zur Halbzeit für den Stadtumbau Ost

Paradox erscheint die Situation und zeugt doch deutlich vom Gefälle zwischen Ost und West – in Frankfurt am Main sollen kriegszerstörte Fachwerkhäuser am Römerberg historisierend wieder aufgebaut werden, und in Weißenfels harrt, wie in vielen ostdeutschen Städten, eine überwältigende historische Architekturvielfalt auf Wohnungssuchende und rettende Investoren. Eine Reise durch Ostdeutschland im sechsten Jahr des Stadtumbaus Ost zeigt immer noch die Dramatik und Schärfe des erzwungenen Veränderungsdrucks und zugleich das Bewährungsfeld für Förderhilfen.

Der BDA nahm dies im Mai 2007 zum Anlaß, um im Rahmen eines Symposium in Weißenfels mit Politikern und Vertretern der beteiligten Ministerien über die künftige Ausrichtung des Stadtumbaus zu diskutieren – insbesondere die Frage nach Strategien, mit denen sich die neuen Länder im zunehmenden Wettbewerb der Städte als konkurrenzfähig etablieren können. Entsprechend groß war das Interesse, neben 80 Kommunen waren auch die Immobilienwirtschaft und die privaten Haus- und Grundeigentümer vertreten. Die Notwendigkeit für diese Debatte ist offensichtlich: Die Bevölkerung wird nicht nur weniger und älter, sondern Ostdeutschland verliert zusätzlich durch Abwanderung der qualifizierten Fachleute und der jungen Generation die Träger ihrer künftigen Entwicklung – allein aus den Städten in Sachsen-Anhalt sind seit 1990 bis zu einem Viertel der Einwohner fortgezogen.

„Wir brauchen mehr Qualität im Stadtumbau Ost“, sagte zu Beginn des Symposiums BDA-Präsident Kaspar Kraemer. Denn der Weg zu einer stabilen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung ist sehr eng mit der Schaffung und Verbesserung der Lebensqualität in den Kernstädten verbunden. Karl-Heinz Daehre, Sachsen-Anhalts Minister für Landesentwicklung, sprach sich ebenso dafür aus, künftig die Aufwertung der Innenstädte in den Mittelpunkt zu rücken – das „Streben nach städtebaulicher Qualität unter stärker Bürgerbeteiligung hat künftig Priorität“. Damit wird endlich die Renaissance der Kernstadt zum zentralen Thema für den Stadtumbau Ost: Die schiere Anzahl von 1,3 Millionen leer stehenden Wohnungen im Jahr 2002 und die Schuldenlast der Wohnungsbaugenossenschaften mit ihrer politischen Relevanz führte in der ersten Förderhalbzeit neben Abrissen zum subventionierten Ausbau der Gegenstadt – Sanierung der Plattenbauten aufgrund höherer Renditeerwartung für die Wohnungsbaugesellschaften.

Daß der Stadtumbau nicht in einer wohnungswirtschaftlichen Perspektive verharren darf, betonten Politiker wie Planer unisono. Ulrich Hatzfeld, der für Stadtentwicklung im Bundesbauministerium verantwortliche Unterabteilungsleiter, befürwortete ein „nachjustieren“ beim Verhältnis zwischen Abriß und Aufwertung – „dies ist nicht so, wie wir uns das wünschen“. Neue Akzente setzt hier das Bundesbauministerium mit einer stärkeren Förderung innerstädtischer Wohnquartiere. Der Dresdner Stadtplaner Herrmann Sträb plädierte dabei für mehr Eigenverantwortung der Kommunen, um städtebauliche Aufwertung und wirtschaftliche Konsolidierung als Einheit zu betrachten: „Stadtumbau muß Aspekte der Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Regionalpolitik integrieren und fördern.“ Maike Richter, zuständige Referatsleiterin für Regionalpolitik im Bundeswirtschaftsministerium ergänzte, daß hier die wichtigste Ressource für eine intakte und lebenswerte Stadt liegt – die Chance zur Profilbildung, zur Nutzung regionaler Standtortfaktoren und damit zur glaubhaften Formulierung von Perspektiven.

Länder wie Thüringen haben die Bedeutung der Lebens- und Wohnqualität in den Städten erkannt – so die Stadt Gera, die geprägt durch eines der größten Plattenbaugebiete in den neuen Ländern mit Kreativität und Ideen wieder ihre Mitte revitalisiert hat; so die Thüringer Landespolitik, die mit „Genial zentral: Unser Haus in der Stadt“ die Revitalisierung innerstädtische Brachflächen forciert. Ebenso Sachsen-Anhalt: mit der IBA-Stadtumbau 2010 als ein Versuchslabor für urbanistische Pilotprojekte wird unter den Vorzeichen von Abwanderung, Deindustrialisierung und Finanzmangel nach neuen Formen des Stadtumbaus gesucht. Das Greifen nach Wolfgang Kils „unerschlossenen Möglichkeitsräumen“ ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht nur Fachkompetenz und Kreativität voraussetzt, sondern letztlich auch von politischer Aufgeschlossenheit und von Optimismus getragen werden muß – dass diese vorhanden sind, davon zeugte das Symposium.

Ob die Förderprogramme nur Mutmacher bleiben oder tatsächlich Hilfe zur Selbsthilfe leisten, wird auch davon abhängen, inwieweit sie die Bürger mit einbeziehen. Bisher wurden private Wohnungseigentümer nur unzureichend vom Umbauprogramm gefördert. Doch gerade hier liegt die Verbindung zum Denkmalschutz – in den Altbaubeständen ist die Leerstandsrate mit 19 Prozent deutlich höher als in den Plattenbauten. Das einzigartige architektonische Erbe – allein Sachsen-Anhalt besitzt mit 60.000 Denkmalen mehr als doppelt soviel wie Nordrhein-Westfalen – als Ausgangspunkt für die kulturelle Fortschreibung der Kernstadt zu nutzen, dafür warb die Landeskonservatorin Ulrike Wendland: Die Tradition dieser reichen Kulturlandschaft wieder in das allgemeine Bewusstsein zu rücken, ist auch ein Beitrag zur Festigung der Bürgergesellschaft.

Allein der sich auf geringem Niveau etablierende West-Ost-Umzug von Rentnern – mit großer Wahrscheinlichkeit auch aus Frankfurt am Main – in die wahrhaftige Altbausubstanz von Weimar und Görlitz wird die von Minister Daehre propagierte „nachhaltige Aufwertung der Innenstädte“ nicht erreichen – hierfür sind weitergehende kreative Aufwertungsstrategien erforderlich. Der BDA wird mit weiteren Symposien die Debatte unterstützen.